Unsere Chronik

Der Anfang – Gründung mit Herz und Idealismus

Die Riesengebirgs-Trachtengruppe München wurde am 23. April 1951 von Paul Enge ins Leben gerufen. Er stammte aus Agnetendorf, einem malerischen Ort im schlesischen Teil des Riesengebirges. Nach dem Krieg und der damit verbundenen Vertreibung verschlug es ihn in die bayerische Landeshauptstadt – doch seine Heimat und ihre Traditionen ließ er nie hinter sich.

Trotz seines damaligen Alters von 66 Jahren gelang es ihm, die junge Gruppe mit Schwung und Begeisterung aufzubauen. Paul Enge brachte nicht nur viel Erfahrung mit, sondern auch eine engagierte und tatkräftige Ehefrau an seiner Seite – sowie eine große Portion Idealismus. Bereits seit 1926 hatte er in seiner Heimat eine Trachtengruppe geleitet und war dort als „Trachtenschulze“ bekannt.

Das Ehepaar Enge war in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall für die Gruppe: Sie konnten nicht nur tanzen, sondern auch die schlesische Mundart authentisch vortragen, singen, spielen, organisieren – und vor allem die Jugend begeistern. Ihre kulturelle Vielseitigkeit zeigte sich auch auf der Bühne: Unter der Regie des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann spielten beide in Agnetendorf, Hirschberg und Breslau bedeutende Rollen in den Theaterstücken „Die Weber“ und „Fuhrmann Henschel“.

Erste Erfolge und ein schmerzlicher Verlust

Bereits im Gründungsjahr 1951 konnte die Riesengebirgs-Trachtengruppe beim großen Schlesiertreffen in München erste Erfolge feiern. „Opa Enge“, wie Paul Enge inzwischen liebevoll von seinen Mitgliedern genannt wurde, zog mit seinen jungen Trachtlern durch Münchens Lokale und begeisterte seine Landsleute mit altvertrauten schlesischen Volkstänzen.

Im Laufe der Jahre wuchs die Gruppe weiter, und Paul Enge konnte viele Erfolge verbuchen. Natürlich blieb der Weg nicht immer frei von Rückschlägen – doch weder Enttäuschungen noch Hindernisse konnten ihn oder seine Frau erschüttern. Mit unermüdlicher Energie und großer Hingabe setzten sie sich für ihr gemeinsames Ziel ein: die Bewahrung und Pflege des schlesischen Volkstums.

Dann kam der schwere Einschnitt:
Am 17. Dezember 1957 verstarb Paul Enge im Alter von 72 Jahren an einem Herzinfarkt. Sein Tod war ein tiefer Verlust – nicht nur für den Verein, sondern auch für die gesamte Gemeinschaft der schlesischen Landsleute in München. Zahlreiche Trauergäste erwiesen ihm auf dem Münchner Nordfriedhof die letzte Ehre.

Fortsetzung mit Herz und Verantwortung

Die großartige Aufbauarbeit und die Erfolge des Ehepaares Enge sollten nicht vergeblich gewesen sein. Nur drei Monate nach dem Tod von Paul Enge übernahm Klaus Eckert die Leitung der Riesengebirgs-Trachtengruppe und führte die Gruppe übergangsweise weiter.

Am 13. März 1958 wurde schließlich Helmut Schimpke bei der Generalversammlung zum 1. Vorsitzenden gewählt – ein Amt, das er mit großem Einsatz und Erfolg bis 1988 und erneut von 1992 bis 1994 innehatte. Helmut Schimpke war ein echter Motor des Vereins: geprägt von unerschöpflichem Idealismus, Tatendrang und der besonderen Gabe, Menschen zu begeistern und zusammenzuführen.

Bis zu seinem Tod am 8. Oktober 1998 blieb er der Riesengebirgs-Trachtengruppe als Ehrenvorsitzender eng verbunden. Wir bewahren ihm und seiner Frau Thea ein ehrendes Andenken – voller Dankbarkeit für ihre Verdienste um unseren Verein.

In den folgenden Jahren trugen weitere engagierte Persönlichkeiten die Verantwortung für die Vereinsleitung:

  • Hans-Ulrich Moll (1988–1992, seit 2008 bis heute),
  • Heinz Schindler (1994–2002 und 2004–2008),
  • Michaela Klingberg (2002–2004).

Die umfangreiche Vereinschronik erzählt von zahllosen Aktivitäten, Auftritten und Begegnungen aus über 70 Jahren Vereinsgeschichte. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Webseite sprengen – doch sie zeugen von gelebter Tradition, Gemeinschaft und generationsübergreifendem Engagement.

Bayern und Schlesier – Eine echte Trachtenfreundschaft

Die Riesengebirgs-Trachtengruppe ist seit über 60 Jahren Mitglied im Trachtengau München und Umgebung e.V. und damit auch im Bayerischen Trachtenverband e.V. – ein Zeichen gelebter Integration und echter Trachtenkameradschaft.

Den Anfang machte die Patenschaftsübernahme für den Münchner Trachtenverein „D’Untersberger“ bei deren Fahnenweihe am 3. und 4. Juni 1961. Es waren Armin Haller und Hans Kleidl, die damaligen Vorstände der „Untersberger“, die uns den Weg in den Trachtengau ebneten. Die Gauvorstände Hans Hatzinger und Alfons Bergmann empfingen uns Schlesier mit offenen Armen – als gleichwertige und geschätzte „echte Trachtenkameraden“.

Ein weiteres bedeutendes Ereignis war die festliche Fahnenweihe anlässlich unseres 15-jährigen Gründungsjubiläums am 7. und 8. Mai 1966 auf dem „Heiligen Berg“ in Andechs. Die Patenschaft übernahmen damals die „Roaga Buam Ismaning“ – ein Zeichen für die wachsende Freundschaft zwischen bayerischen und schlesischen Trachtlern.

Im Laufe der Jahre hat sich eine herzliche und beständige Verbindung zwischen unserer Gruppe und den bayerischen Trachtenvereinen des Münchner Gaues entwickelt. Die Teilnahme an Gaufesten und Veranstaltungen ist für uns seither nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine große Freude

                                       

Zurück nach Schlesien – Begegnungen mit der alten Heimat

Nach der Grenzöffnung im Jahr 1990 war es endlich möglich, ungehindert nach Schlesien zu reisen – und diese Gelegenheit ließen wir uns nicht entgehen. Vom 6. bis 17. Juni 1990 begaben wir uns auf eine bewegende und aufregende Reise in die Heimat unserer Vorfahren.

Mit unseren volkstümlich-kulturellen Programmen, die wir den Deutschen Freundeskreisen vor Ort präsentierten, füllten wir überall die Säle bis auf den letzten Platz. Das Publikum war tief berührt – denn zum ersten Mal seit 45 Jahren erlebten sie wieder ein schlesisches Heimatprogramm mit Liedern, Tänzen und traditionellen Trachten.

Wichtige Stationen dieser Reise waren unter anderem:

  • Annaberg mit deutschem Gottesdienst,
  • Lubowitz, der Geburtsort Joseph von Eichendorffs,
  • Schweidnitz mit der beeindruckenden Friedenskirche,
  • Trebnitz mit dem Kloster der Heiligen Hedwig,
  • die Städte Breslau, Liegnitz und Agnetendorf (Gerhart Hauptmanns Wohnort),

sowie die Schneekoppe, der höchste Berg des Riesengebirges

Doch diese Reise sollte nicht die einzige bleiben. Als aktive Mitglieder der Schlesischen Jugend Bayern reisten einige von uns noch mehrfach nach Schlesien, um dort mit Liedern, Tänzen und Mundart das schlesische Kulturgut lebendig werden zu lassen. Der Applaus und die Herzlichkeit, die uns entgegengebracht wurden, waren überwältigend.

Die bislang letzte gemeinsame Reise führte uns im August 2014 nach Hirschberg und Umgebung – ein weiteres unvergessliches Erlebnis, das die enge Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart spürbar machte.